Interview Regisseurin

Tuttlingen. Die wohl berühmteste aller Gothis-Novels „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ kommt in einer Inszenierung des Projektionskunsttheaters der MediaBühne Hamburg nach Tuttlingen. Regie führt Annelie Krügel der MediaBühne aus Hamburg.

Frau Krügel, schon der Trailer Ihrer Inszenierung verursacht eine Gänsehaut. Sie haben da eine nervenzerfetzende Musik ausgewählt …

Die stammt aus der Feder unseres »Head-of-Arts«: Klaus Ude. Wie übrigens auch das Buch und die Animationen. Da es bei diesem Stoff ja in der Hauptsache um das Ringen gegensätzlicher Naturen geht, kombiniert er gern klassische Arrangements mit elektronischen Klangsphären. Hybrid sozusagen, wie die Hauptfigur.

Die Spannung entsteht aber nicht nur durch die Musik – wie ist es Ihnen gelungen, mit einer Trickfilm-Lesung so viel „Thrill“ zu erzeugen?

Wo soll ich da anfangen (lacht). Vielleicht so: Man muss trotz aller optischen und soundtechnischen Opulenz immer auf das Wesentliche bedacht sein: Projizierte Schauwerte sollten den Fokus schärfen, nicht verwässern. Zusätzlich setzen wir auf erzählerische Intensität und nachvollziehbare Verwicklungen der verschiedenen Charaktäre und Millieus.

Wie sieht die Umsetzung konkret aus?

Vier Darsteller, fünf Leinwände, Musik, Sound und Licht. Ein romanhaft-voranschreitendes Animationsdrama. Im besten Wortsinn eine Geschichte von Licht und Schatten. Sehr dynamisch und gefühlvoll, wie wir bisher so hörten. Und dann ist es natürlich auch eine Weiterentwicklung unserer »Elefantenmensch«-Erzählform, die wir im letzten Jahr mit viel Beifall auch in Tuttlingen präsentiert haben.

Ist die Trickfilm-Lesung eine neue oder neu entdeckte Darstellungsform?

Wir wissen tatsächlich nicht, ob das jemand schon mal so gemacht hat. Live-Synchronisationen gab es natürlich vorher, aber das hier ist allein schon durch die vielen technischen Ebenen anders, die so unauffällig wie möglich miteinander verbunden sind. Das Ganze ist vielleicht am ehesten vergleichbar mit einer lichtgeschaffenen Planetariumsshow: Mehr etwas, das einen in die Erzählung hineinzieht, als dass es noch herkömmlichem Theater oder einer Lesung entspräche, auch wenn diese Elemente trotzdem noch enthalten sind. Einen solchen Erzählapparat zu schaffen, ist eine künstlerische und eine technische Herausforderung und funktioniert nur durch Liebe zum Detail auf allen Ebenen.

Wer sind die Sprecher und warum haben Sie gerade diese ausgewählt?

Frank Felicetti (Mr. Hyde) ist im Synchronbereich tätig unter anderem als Synchronsprecher für Alec Baldwin, und als Theater- und Musicaldarsteller aktiv. Dirk Hardegen kennt man aus Hörspiel-, Rundfunk- und Synchronproduktionen. Johannes Schön (»Henry Jekyll«) hat sich in vielen Theater- und Fernsehproduktionen einen Namen gemacht. Und dann bin ich als Schauspielerin selbst mit dabei. Wir vier teilen alle Figuren unter uns auf. Daher ist eine gewisse Bandbreite unerlässlich. Ein wichtiges Besetzungskriterium.

Dr. Jekyll verwandelt sich in die bösartige Ausgabe seiner selbst – was bedeutet das im zeitlichen Kontext? Mit welchen Erkenntnissen oder Ängsten verlassen die Besucher die Vorstellung?

»Die Geister, die ich rief«, oder die »Büchse der Pandora«: Wir bekommen in immer kürzeren Abständen immer revolutionärere Technologien an die Hand, aber können wir damit auch umgehen, können wir sie kontrollieren? Oder ist es nicht bereits anders herum? Social Media, Politik, Genschere: Bringen diese Dinge in konkurrierenden Gesellschaften das Beste, oder das Schlechteste in uns hervor? Das sind zeitlose Fragen, nicht wahr?

Das Interview führte Valerie Gerards.

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